Kommunale Jobcenter sind stark, sozial, vor Ort und bekämpfen erfolgreich die Langzeitarbeitslosigkeit
Es waren die Momente, die Marcel Toussaints Leben verändert haben: Der Moment, als die Polizei ihn beim Drogendealen erwischte, der Moment als sie sein Haus durchsuchten, der Moment, als er später vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe auf drei Jahren Bewährung verurteilt wurde. Er war am Tiefpunkt. Doch dann fing das Leben des heute 34-Jährigen neu an. In diesem Sommerschloss er seine Ausbildung zum Koch ab und arbeitet seitdem im Sternerestaurant auf Burg Nideggen. Ein Werdegang, der beeindruckt und der auch ohne die job-com des Kreises Düren sowie die Dürener Gesellschaft für Arbeitsmarktförderung (DGA) so nicht möglich gewesen wäre.
Mehr als zehn Jahre lang war er abhängig von Cannabis, zuerst konsumierte er die Droge, später verkaufte er sie auch. Nach seinem Hauptschulabschluss 2006 plätscherte das Leben an ihm vorbei, wie er erzählt. Angefangene Ausbildungen im Bereich der Holzverarbeitung, als Metallbauer oder im Gartenbereich bricht er ab. "Ich hatte keinen Kopf dafür, mir hat das auch keinen Spaß gemacht", sagt er. Wichtige Entscheidungen werden vertagt, ein Teufelskreis aus Gleichgültigkeit, bestimmt von Cannabis – bis ihn die Polizei erwischt, ihm nach dem Gerichtsurteil das Gefängnis nur erspart bleibt, wenn er die Drogentests besteht und "clean" bleibt. Danach beginnt für Toussaint eine neue Zeitrechnung. "Mit dem Urteil, am 28. Mai 2018, bin ich von den Drogen weg und habe mein altes Leben hinter mir gelassen", erinnert er sich stolz und beginnt in "seinem Jahr 2018" an seiner Zukunft zu arbeiten – gemeinsam mit der job-com.
Das kommunale Jobcenter sorgt dafür, dass rund 23.000 Menschen im Kreis Düren die finanzielle Grundsicherung erhalten und gleichzeitig Arbeitssuchende in einen Beruf finden und die nötigen Qualifizierungen dafür erlangen. "Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der job-com leisten großartige Arbeit. Sie legen Tag für Tag den Fokus auf den Menschen und geben ihnen eine Chance für ein unabhängigeres Leben", sagt Landrat Wolfgang Spelthahn. Das betrifft auch Langzeitarbeitslose wie Marcel Toussaint. Als langzeitarbeitslos gilt man, wenn man ein Jahr und länger arbeitslos gemeldet ist. Rund 62 Prozent der Arbeitslosen im Kreis Düren fallen in diese Kategorie (Stand: Februar 2022). Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsmarkt in besonderer Weise getroffen und in NRW für einen deutlichen Anstieg dieser Zahl gesorgt. Sie wieder zu reduzieren ist auch der Job von Fallmanagerin Olga Oblender. Sie war Marcel Toussaints direkte Ansprechpartnerin bei der job-com. "Beim Erstberatungsgespräch besprechen wir den bisherigen Werdegang, sowohl den beruflichen, als auch den persönlichen", sagt Olga Oblender. "Wir gucken, wo wir ansetzen können, welche Förderangebote passen und in welchem Bereich sich die Kunden gerne erproben wollen."
Für diese Erprobung und das Hineinschnuppern in einen Beruf gibt es bei der job-com verschiedene Angebote, sogenannte Arbeitsmarktprojekte, mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten. Für viele ist das dann bereits der erste Schritt in den Beruf, denn perspektivisch kann daran eine Berufsausbildung, eine Qualifizierung oder eine Vermittlung auf den Arbeitsmarkt anschließen. Die job-com des Kreises Düren arbeitet mit unterschiedlichen Trägern zusammen, so dass den arbeitslosen Menschen ein großes Portfolio an Angeboten zur Verfügung steht. Eines dieser Angebote ist das Projekt "Gastrofit" bei der DGA.
Hier erhalten Menschen ab 24 Jahren einen Einblick in die vielen Facetten der Gastronomie. Die Vermittlung erfolgt in enger Abstimmung mit dem Träger über die job-com.
Die Fallmanagerin Olga Oblender informierte Marcel Toussaint über "Gastrofit". "Eigentlich hatte ich mich nie in der Gastronomie gesehen, aber ich wollte es gerne mal ausprobieren und es hat mir überraschenderweise sofort sehr viel Spaß gemacht", erinnert sich Toussaint. Im Dezember 2018 fing er dort an. Der Vorteil: Die Lernenden werden dort durch Sozialpädagogen eng betreut. Sie sind Ansprechpartner und begleiten durch den für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer neuen Alltag, können auf Sorgen und Probleme direkt reagieren. Nicole Pelzer ist bei der DGA für "Gastrofit" zuständig und hat gleich gemerkt, dass in Marcel Toussaint viel Potenzial steckt. "Schon nach ein paar Tagen stand er in der Küche der Arena Kreis Düren hinter einer riesen Bratpfanne und hat mit großer Begeisterung die Bratwürste angebraten und war schon mittendrin im Geschehen. Ich habe das Bild noch genau im Kopf. Das ist am Anfang nicht selbstverständlich, dass sich die Teilnehmer das zutrauen, direkt anpacken und so gut umsetzen." Die DGA hat vier Ausbildungsbetriebe: Die Genuss Are(n)a in der Arena Kreis Düren, das Friedhofscafé Düren, die DGA Lehrküche, wo vor allem Kantinenessen zubereitet wird, und das Gastronomische Ausbildungszentrum in Nideggen. Jede Einrichtung hat andere Anforderungen. Sie zeigen die Vielfältigkeit der Gastronomie.
Persönliche Betreuung ist besonders wichtig
Die pädagogische Unterstützung während des Projekts, aber auch während der anschließenden Ausbildung, war für Marcel Toussaint wichtig, wie er sagt. "Frau Pelzer hat mir viel geholfen, vor allem, weil ich am Anfang häufiger nicht anwesend sein konnte." In der freien Wirtschaft häufig schon eine schlechte Voraussetzung. Aufgrund seiner Vergangenheit hatte er Schulden angehäuft, die er mit Hilfe einer Beratung in den Griff kriegen wollte. Auch hier half die job-com. "Wir kümmern uns nicht nur um Jobs, sondern haben den Menschen als Ganzes im Blick", sagt Silvia Holz, Leiterin im Fallmanagement der job-com des Kreises Düren. "Wir vermitteln beispielsweise bei Schulden und suchen Ansprechpartner bei psychosozialen Angelegenheiten oder Suchtproblemen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen eine Lotsenfunktion durch den bürokratischen Dschungel." Grundvoraussetzung, so sind sich alle einig, ist immer, dass die Arbeitssuchenden auch den Willen haben, etwas zu ändern.
Weil sich Marcel Toussaint während "Gastrofit" so wohl in der Küche gefühlt hat, war für ihn der nächste logische Schritt die Ausbildung zum Koch. Dabei hatte er die Möglichkeit eine sogenannte "Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen" kurz BaE zu machen. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine reguläre Ausbildung (inklusive Vergütung) mit dem Besuch der Berufsschule und der Arbeit in einem Betrieb. Allerdings ist der Arbeitgeber ein von der job-com beauftragter Träger, der Menschen bis 35 Jahre nicht nur fachlich ausbildet, sondern sie auch pädagogisch begleitet. Eine Ausbildung in Teilzeit ist grundsätzlich möglich. Die job-com bietet 39 Plätze in 17 Ausbildungsberufen an. Aktuell ist diese Form der Ausbildung bei drei Trägern im Kreis Düren (low-tec, Sozialwerk Dürener Christen und DGA) möglich.
Marcel Toussaints Ausbildungsplatz ist in Nideggen, im Gastronomischen Ausbildungszentrum. Das dortige Restaurant – in Nachbarschaft zur Burg Nideggen – bietet eine feinere, gehobene sowie regionale Küche in tollem Ambiente an. Er kennt sich dort aus und hat schon während der Zeit bei "Gastrofit" viel Erfahrung sammeln können. Die Azubis schreiben dort ihr eigenes Menü – eine Auszeichnung und Erfolgserlebnis. Marcel Toussaint hat dieses Menü bereits während "Gastrofit" schreiben dürfen – ein Beweis, wie sehr er dort hineinpasst. "Ich habe noch nie gesehen, dass ein Gastrofitler das Ausbildungsmenü schreibt. Das ist eine hohe Auszeichnung und ein tolles Erfolgserlebnis", sagt Nicole Pelzer von der DGA.
Die Erfolgsquote durch die intensive Betreuung der Auszubildenden in der BaE sind sehr hoch. Auch Marcel Toussaint legt in den kommenden Monaten seine Abschlussprüfung ab. "Es war nicht immer einfach, gerade in Zeiten von Corona. Aber die Gespräche mit Frau Pelzer waren Gold wert und wir alle haben das Beste aus der Situation gemacht", berichtet er. "Ich habe immer gesagt, wenn ich die Ausbildung bekomme, gebe ich alles. Meine Noten spiegeln das auch wieder". Er steht zwischen der Note eins und zwei. Während der Ausbildung hat er zudem ein Praktikum im Burgrestaurant Nideggen machen können – einem Sternerestaurant. Mit Erfolg: Seit dem Sommer arbeitet er dort. "Marcel ist zuverlässig. Er begreift schnell und setzt das ihm vermittelte Wissen sehr gut um. Ein typischer Kumpeltyp, der die Arbeit ernstnimmt", sagt Sternekoch und Toussaints zukünftiger Chef Herbert Brockel. "Wir freuen unsüber die gemeinsame berufliche Zeit und ganz besonders, dass er die Kurve bekommen hat – das muss honoriert werden." Der teils steile und kurvenreiche Weg hoch zum Burgrestaurant Nideggen steht somit auch sinnbildlich für den Werdegang von Marcel Toussaint, der sich den Weg nach oben erarbeitet hat.
"Solche Beispiele wie bei Marcel Toussaint sind der Grund, warum wir unseren Job machen. Es gibt viele Wege, um aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauszukommen", sagt die Leiterin der job-com des Kreises Düren, Martina Forkel. "Qualifizierung, egal in welchem Alter, eröffnet Chancen und diese können wir den Menschen geben. "