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Kreis Düren

Der ganz besondere Geist der Special Olympics

Wie zwei Schülerinnen der Christophorus-Schule den Einzug in einen weltweiten Wettbewerb geschafft haben.

Wir fahren nach Berlin

Die Rollerskating-Gruppe um Kim Heinrichs (2.v.l.) trainiert wöchentlich.

"Ich liebe einfach das Gefühl und die Geschwindigkeit beim Rollerskating. Dass wir zu den Special Olympics World Games nach Berlin fahren dürfen, ist so toll. So etwas erlebt man echt nur einmal im Leben”, erklärt die 16-jährige Sportlerin Kim Heinrichs freudestrahlend. Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres kam die überraschende Nachricht: zwei Athletinnen der Christophorus-Schule hatten sich doch tatsächlich für die Weltmeisterschaft 2023 qualifiziert. Die 18-Jährige Pia Welsch geht in der Disziplin Badminton an den Start und Kim schwingt sich in die Rollerskates. Noch ein Grund zur Freude: in diesem Jahr finden die Special Olympics World Games zufällig auch noch im eigenen Land statt.

Aber von vorne: Seit mittlerweile zehn Jahren ist die Christophorus-Schule in Düren Teil von Special Olympics, der weltweit größten Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung. Und dass die Special Olympics-Stunden den Schülerinnen und Schülern wirklich große Freude bereiten, ist sofort zu sehen. An der Schule werden einmal wöchentlich, immer dienstags – zusätzlich zum regulären Sportunterricht – Kurse im Schwimmen, Badminton und Rollerskating angeboten. Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen strahlen stolz und jede geschwommene Bahn, jeder über das Netz geflogene Ball sowie jede gerollerte Runde ist ein Erfolg. Ein kleiner Sieg. Das Miteinander steht im Vordergrund und alle helfen sich gegenseitig. Manche laut quietschend vor Spaß an der Freude, manche sind eher sensibel zurückhaltend, fast schüchtern – jede und jeder verfolgt das eigene Tempo. Ein solches Maß an Akzeptanz, Empathie und dem puren Gefühl von Freiheit, vor allem in dem sonst so oft von Leistungsdruck und Vergleichen geprägten Sportunterricht, sieht man selten. Diese kleinen Siege werden allerdings nicht bloß innerhalb der Schulzeit gefeiert. Die Christophorus-Schule nimmt seit Jahren an den Landesspielen von Special Olympics Nordrhein-Westfalen teil und im vergangenen Jahr haben sich sogar 14 Schülerinnen und Schüler für die National Special Olympics in Berlin qualifiziert. Kontinuierliches Training, zahlreiche Qualifikationsspiele und Spaß am Sport haben sich aus-gezahlt. Nach landesweiten Erfolgen wurden dann schließlich auch nationale Siege gefeiert sowie etliche Bronze-, Silber- und Gold-Medaillen gewonnen.

Auch der Badminton-Kurs der Special Olympics macht den Schülerinnen und Schülern viel Freude. Ganz rechts ist die 18-Jährige Pia Welsch, die an den Special Olympics World Games teilnimmt, zu sehen.

Und jetzt ist der weltweite Erfolg zum Greifen nah. Die beiden Schülerinnen treten vom 17. bis 25. Juni mit 376 weiteren Athletinnen und Athleten innerhalb des deutschen Nationalkaters an. Insgesamt starten 7000 Sportlerinnen und Sportler mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung. Doch bevor es nach Berlin geht, ging es für Kim und Pia zunächst nach Düren. Denn was erlebt man auch nur einmal im Leben? Richtig, einen Eintrag in das Goldene Buch des Kreises Düren. „Wenn solch besondere Dinge gelingen, dann liegt das Goldene Buch natürlich bereit. Wir sind sehr stolz und geben den beiden Athletinnen auf dem Weg von Düren nach Berlin Rücken-wind”, betonte Landrat Wolfgang Spelthahn bei der feierlichen Zeremonie Anfang Februar. Die sportliche Leistung und Disziplin der jungen Schülerinnen ist so überzeugend und inspirierend, dass sie sich mit ihren Namen für alle Zeit in dem Goldenen Buch verewigt haben.

Eintrag in das Goldene Buch des Kreises Düren

Nach lobenden und motivierenden Worten des Landrates ging es für die beiden jungen Frauen mit noch mehr Selbstvertrauen und Ehrgeiz direkt wieder auf den Platz bzw. auf die Bahn. Drei bis vier Mal wöchentlich wird trainiert, unter anderem im Bewegungszentrum des Kreissportbundes Düren (KSB). Auf dem Trainingsplan stehen dort Kondition, Reaktionsvermögen und Kraft. Die Mädchen werden mit hochmoderner Technik bestmöglich für die Weltmeisterschaft vorbereitet. Dazu gehört auch, dass die eigenen Trainer von Kim und Pia bald das Zepter abgeben und die Coaches des Nationalkaders die Betreuung übernehmen werden. Das Team Deutschland tritt im Sommer in leistungsgerechten Gruppen an. Vorher gibt es gewisse Einstufungen, um die Chancengleichheit zu gewährleisten. Beispielsweise müssen beim Rollerskating vor dem Wettkampf die besten Runden-Zeiten von Kim eingereicht werden, die dann als Richtwert dienen. Für Pia startet die Weltmeisterschaft im gemischten Doppel im Badminton mit 5-minütigen Vor-Matches.

Die 16-jährige Sportlerin Kim Heinrichs rollert in Richtung Weltmeisterschaft.

Die Ausgangslage könnte nicht besser sein: zwei hochmotivierte Schülerinnen, eine unterstützende Schülerschaft, begeisterte Lehrer sowie Eltern und Familienangehörige – und natürlich der Rückhalt aus dem gesamten Kreisgebiet. „Ich freue mich sehr auf Berlin, wir werden unser Bestes geben”, verspricht Pia Welsch strahlend. „Wir sind so stolz auf Pia und Kim. Sie sollen vor allem Spaß haben, das ist die Hauptsache”, erklärt Anne Blatt, die Schulleiterin der Christophorus-Schule. Darüber hinaus leiden die schulischen Verpflichtungen nicht unter der Teilnahme an der Weltmeisterschaft. Das Kollegium – darunter auch die Fachkonferenz Special Olympics, die aus mehreren Lehrern der Schule besteht – achtet darauf, die Schülerinnen nicht zu überfordern. Die gesamte Persönlichkeitsentwicklung spiele eine große Rolle, so Rafael Kilanowski, Lehrer und Delegationsleiter für die Special Olympics World Games. „Die Kernfächer werden nicht vernachlässigt und wenn wir spüren, dass eine der Athletinnen ein zu hohes Pensum hat, dann wird auch einfach mal eine Woche nicht trainiert. Wir sehen den Wettkampf eher als ein ‚miteinander gegeneinander’. Der vierte Platz wird genauso gefeiert, wie der erste Platz”, beschreibt Kilanowski. Zusammenhalt, Vertrauen und individuelle Unterstützung – dafür steht die Christophorus-Schule, bei der es sich um eine Förderschule des „Förderschulzweckverbands im Kreis Düren” handelt. Sie trägt das Siegel „Bewegte Schule”, also sind körperliche Aktivitäten ohnehin ein wichtiger Bestandteil des Alltags der Schülerinnen und Schüler. Michael Duis ist Lehrer an der Christophorus-Schule und leitet als Coach das Badminton-Team: „Wir bauen bewusst viel Bewegung in den Schulalltag ein, damit die Kinder ihren Körper kennenlernen und fit bleiben. So entlasten wir auch die Eltern.” Häufig sei die Mitgliedschaft in einem Sportverein für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung nicht so selbstverständlich, wie für Kinder ohne Beeinträchtigungen. Auch die Eltern würden häufig diesbezüglich Hemmungen und Ängste ausdrücken, erklärt Schulleiterin Anne Blatt. „Wir arbeiten schon eng mit dem Kreissportbund und dem Bewegungszentrum des KSB zusammen. In der Zukunft würden wir uns jedoch auch über Kooperationen mit Sportvereinen freuen. Dann könnten wir den Kindern noch mehr Spaß am Sport vermitteln und den teils vorhandenen Druck bei den Eltern regulieren”, sagt sie im KreisRund-Interview. 

Doch bleiben wir abschließend noch einmal bei der nahen Zukunft, der Weltmeisterschaft. Anne Blatt, das Kollegium und die gesamte Schülerschaft freuen sich – zusammen mit Pia und Kim – sichtlich auf Berlin. Die Lehrer schmieden jetzt schon Pläne für bunt bemalte Plakate, die die Schülerinnen unterstützen sollen. Die Schulleiterin beschreibt mit einem Schmunzeln im Gesicht, dass bei den Special Olympics immer ein ganz besonderer Geist zu spüren sei. „Alle feiern zusammen. Ganz egal, wie schnell oder langsam man war. Oder wer am stärksten oder schwächsten abgeschnitten hat. Die Menschen mit Beeinträchtigungen fühlen sich in diesem Rahmen so wohl und überhaupt nicht ‚anders’. Sie sind, wer sie sind und können das frei ausleben. Das erfüllt mich mit purer Freude”, sagt sie. Allein die Qualifikation für die große Weltmeisterschaft sei ein Sieg. Wir fahren nach Berlin, der Kreis Düren wünscht viel Erfolg und Spaß!

Weitere Informationen zu den Special Olympics

Bei den Paralympics geht es um Leistungssport für körperlich beeinträchtigte Menschen. Als Athletin oder Athlet kann man nur für die Paralympics zugelassen werden, wenn strikte Qualifikationskriterien eingehalten werden – ähnlich wie bei den Olympischen Spielen. Anders ist es bei den Special Olympics: hier können alle Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung Wettkämpfe bestreiten. Special Olympics ist mit mehr als fünf Millionen Athletinnen und Athleten in 174 Ländern die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung. Als Höhepunkt finden alle zwei Jahre die Special Olympics World Games statt.

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